Ich schrieb am 15. November 2013 in einer Rundmail an meine Freunde:
„Was ich im Sommer in meinem Umfeld verbal postulierte, lese ich jetzt
in der Zeitung:
Sandro Gaycken: „Es geht nicht um Sicherheitsprodukte, die ein wenig bessersind. Meine Idee von Hochsicherheit ist wirklich, den Computer noch einmal neu zu erfinden, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Das unsichere Zeug, das wir heute haben, müssen wir alles wegwerfen, wenn wir Informationstechnik für unsere hochsicheren Bedürfnisse nutzen. Die bisherige Geschichte der Informationstechnologie und Computer, Hardware und Betriebssysteme ist eine Geschichte von Entscheidungen gegen Sicherheit. Das geht 70 Jahre zurück. In den vierziger Jahren wurde zwischen der Harvard- und Von-Neumann-Architektur entschieden. Schon damals hat man sich für die billige und schnelle, statt sichere und solide Technologie entschieden. Diese Entscheidung wurde seit dem immer wieder so getroffen. Das muss man jetzt korrigieren.“
Hinzufügen müsste man, dass – nicht nur Hardware – sondern bei einer
Netzwerkverknüpfung neben Betriebssystemen auch alle Übertragungs-
Protokolle neu erschaffen und aufgesetzt werden müssten.
Das Problem beginnt jedoch nicht erst „im Computer“ oder „in der
Hardware“, sondern bereits in der Chipfabrik. Ein wenig „Neues
Hardware-Design“ hilft da wenig, weil das Übel bereits in den
untersten Hardware-Einzel-Komponenten sitzt. Und das zeigt die
Naivität des Vorschlags: Man stellt nicht mit einer Schland-NL-
Schweden-Combo mal eben binnen 24 Monaten eine neue Waverfabrik von
heute auf die oberbayrische Wiese.
Aber wir stehen tatsächlich vor einer solchen möglichen IT-Umwerfung,
wenn auch die Fragen bleiben: wann und wer und wo und wodurch und womit?
Und: Wieviel Transparenz einer Herrschaft des Volkes auf dem Niveau
einer Wahlurne lässt man von Seiten der Macht bei diesem Unterfangen
zu ? Plus: Wie koppelt man sich vom Bestehenden ab und wieder an ?
Das alles ist primär jedoch in Zusammenhang zu sehen mit:
‚Von Thomas Grüter ist gerade sein neues Buch mit dem Titel:
„Offline! Das unvermeidliche Ende des Internets und der Untergang der
Informationsgesellschaft“ erschienen (Verlag Springer Spektrum,
288 Seiten, 19,99 Euro).‘
Näheres siehe hier:
http://www.heise.de/tp/artikel/40/40301/1.html
Ich war mir im Gespräch mit dem Schweizer Medien-Restaurator Reto Kromer bereits letztes Jahr einig darin, dass weder von der verwelkenden analogen Medienwelt, noch von den digitalisierten Medieninhalten etwas übrig bleiben, überliefert bleiben dürfte, überliefert werden kann, – wenn man die derzeitige Produktionsverfasstheit mit ihren Hardware-Erzeugnissen und deren inhärenten „Fortschrittsbegriff“ nach Kapitalismuslogik voraussetzt.
Viel Zeit bleibt damit nicht mehr. Das ganze „Digitalien“, wie wir es miterschaffen oder zumindest miterlebt haben, hält so maximal noch gut
35 Jahre bis zur Mitte des Jahrhunderts.
Dann ist in der Produktionsaufstellung von heute und damit aus inhärenten Gründen das Ende des Digitalen Spuks da.
Was dann ?
Wenn man das alles zu Ende denkt, dann wäre das Anforderungsprofil
klar: Waver-Fabriken in Manufakturgröße für jede Kreisstadt, die
notfalls vom Berufsschullehrer oder dem Dorfschmied bedient werden
können. Oder: 3D-Drucker, die Waver-Fabriken in Manufakturgröße
herstellen können. Und ohne 3D-Drucker, die 3D-Drucker herstellen, die
Waver-Fabriken herstellen können, wird es längerfristig auch nicht
gehen. Von den zu verbratenen Ressourcen abgesehen, wird die
Energiefrage zunächst geklärt werden müssen.
Wenn man allerdings von der Hypothese – wie Grüter – von einem auch
nur temporär zusammenbrechenden Welthandel ausgeht, dann ist auch der
Aufbau von „small is beautiful“ in Sachen IT eine nette Illusions-
Utopie.
Davon abgesehen wäre noch die Frage, auf welches Zeitniveau oder
Zeitplateau mit jeweiligen technologischem Entwicklungsstand man
zurückkehren kann, was dann die Leistungsfähigkeit jener neuen
„Informationstechnologie von vorne erfunden“ determinieren dürfte.
1956 ?
1964 ?
1978 ?
1984 ?
1989 ?
1999 ?
Damit dürften sich auch die Speicherkapazitäten von morgen bestimmen
lassen, die wirkliche Umkehrung der Verhältnisse: von „Alles von Allen
speichern“ dann in ein „Fast alles gelöscht oder Löschen; nur das
Allerwichtigste darf bleiben, um die geschichtliche Überlieferung zu
bewahren“. Von 1956 bis 1984 waren 20 Megabyte eine Größenordnung der
Speicher-Grenze, die man in den fortschrittlichsten technologischen
Apparaten ihrer Zeit apparativ gerade eben noch handhaben konnte. Zur
Hochsicherheits-IT gesellt sich die Überlieferung der
Hochrisikotechnologien unserer Zivilisation. Es werden wenig YouTube-
Videos auf dieses 20 MB-Kontingent anwendbar sein, wenn man mit diesem
Speicherkontingent (um es einmal zu beziffern) den nächsten 2100
Menschen-Generationen die „Erbschaft unserer Zeit“ so erklären muss,
dass sie mit unseren Hinterlassenschaften lebensbewahrend umgehen
können.
Der absehbare Entwicklungskonflikt liegt damit auf der Grenzlinie
zwischen „Machbarkeit des Sicheren“ und „Sicherung von Machbarkeit an
sich“.
Von Morgen her gedacht, war das Internet eine ziemlich dumme Idee.“