Eigentlich hoffte man nicht nur im audiovisuellen Bereich durch Digitalisierung analoge Artefakte, also inhaltliche Störungen durch Speicherungstechnologie, generell ausschließen zu können und die Digitalisierung versprach Konstanz und Konsistenz über beliebige Kopier-Generationen hinweg, die auch die Basis für die bisherige Phantasie vom Langzeiterhalt durch Daten-Migration sind.
Nun tritt verstärkt das Phänomen „bit rot“ auf dem Plan und in’s Bewußtsein. „bit rot“ – das man mit den Redakteuren von c’t gerne mit „Bitfäule“ eindeutschen kann – ist auf der Ebene von Speichersystemen (Speichermaterie, Hardware-Controller, Dateisysteme als Teil und Spezifikum von Betriebssystemen) ein Speicherfehler auf Datenspeichern im Bereich von Wahrscheinlichkeiten, der faktisch (von der Anzahl der Vorfälle her) zunimmt, wenn die Speichergröße ebenfalls zunimmt und die garantierte Fehlerfreiheitsrate im Speichersystem dabei entweder gleichbleibt oder sich verschlechtert. Während man also zunächst noch glaubte, „Moore’s Law“ würde die Speicherung des gesamten Weltwissens cheap and easy machen , tritt nun durch Kohrs Skalierungspostulat (von Problemen durch zu große Größe, die man ohne die Größe gar nicht hätte) eine Grenze von Wahrscheinlichkeits-Vorfällen auf, die die angenommene und prognostizierte Verlaufsform von „Moore’s Law“ im Speicherbereich destabilisiert.
Redundanz-Sicherheiten, wie bislang bekannte und gern genommene RAID-Systeme, helfen dabei nicht weiter, wie auch billige Riesenfestplatten von mehreren Terrabyte plötzlich durch „bit rot“ keinen Spass mehr machen. Man versucht jetzt durch Aufrüstung eigentlich simpler Dateisysteme (btrfs, zfs) dem „bit rot“ Herr zu werden und ihn „auszumerzen“. Wie das immer mit „Ausmerzen“ denn sich auch verhält: Ganz durch die Sache nicht, weil man sich im IT-Bereich durch bit rot „kalt erwischt“ fühlt.
Zum Thema „bit rot“:
http://www.heise.de/ct/inhalt/2013/21/176/
http://www.heise.de/ct/13/21/links/176.shtml
Die thermische Demagnetisierung ist ein lang bekanntes Grundlagen-Phänomen der magnetischen Speichertechnologie. In der Anfangszeit der Ampex-Videoaufzeichnung am Ende der 1950er-Jahre wollte man einer Videoband-Fernsehaufzeichnung auf 2-Zoll-Videoband im deutschen TV-Studio nur gut eine Woche Haltbarkeit geben: Man hatte zusätzlich zum natürlichen Magnetfeld der Erde (ja, mit „Magnet-Strahlen“) auch Besorgnis vor der kosmischen Strahlung, die eine Magnetaufzeichnung beeinträchtigen, gar löschen können sollte.
Im Wissenschaftsmagazin des Deutschlandfunks heute ein Beitrag zu einem neuen Ansatz des Langzeiterhalts von Daten auf Scheiben, die das WORM-Prinzip (Einmal Schreiben – Mehrfach Lesen), das „Brennen“ von Daten auf Scheiben also, mit der Speicherdichte von Festplatten und mit fortgeschrittenen Beschichtungstechnologien verknüpfen möchte. Der Ansatz ist interessant, wenn auch im weiteren Verlauf des Radio-Beitrags man erkennen kann, dass man Fragen des Langzeiterhalts von Wissen nicht allein in die Hände von Ingenieuren geben sollte, weil die im Beitrag geäußerten Spekulationen und Mutmaßungen über die künftige Maschinen-Lesbarkeit von Texten noch nicht einmal das faktische Niveau von Hypothesen erreicht.
Zur Wolfram-Disk:
Quelle: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/02/20/dlf_20140220_1645_5f4e7c01.mp3
Transkript des Beitrags:
http://www.deutschlandfunk.de/datenspeicherung-haltbar-und-verstaendlich.676.de.html?dram:article_id=278071
Update 21. Februar 2014, 20.48 h: „Zeitschichten“-Autor Friedrich Engel schrieb mir zu diesem Beitrag eine Kommentierung, die ich – nach Abstimmung mit ihm – sehr gerne als Update hinzustelle:
Was mich an dem durchaus bedenkenswerten Beitrag zum Thema „bit rot“ stört, ist das Ignorieren aller Sicherheitsmaßnahmen, die in die Aufzeichnungsformate (also nicht in die pp. Disk selbst) eingebaut sind. Fehlerkorrektur-Algorithmen sind so leistungsfähig, dass sie einiges an „bit rot“ verdauen bzw. kaschieren können, d.h., im Fall eines Fehlers das Original-Signal errechnen. Es wäre also sinnvoll, aus der Aktion dieser Algorithmen ein stufenweise dringlicher werdendes Warnsignal abzuleiten, sobald die Möglichkeiten zur Korrektur mehr oder weniger erschöpft sind. Voraussetzung ist natürlich, dass der Festplatten-Bestand kontinuierlich geprüft wird. So einfach wie bei der Keilschrift wird’s halt nimmer!
Wolfram-Disk:
Dass am Anfang der Festplatten-Speicherei Fehler gemacht wurden bzw. die Technologie bei weitem noch nicht auf dem heutigen Stand war, muss ja auch bedacht werden. Die Nicht-Dokumentation von Dateiformaten kann nicht den Datenträgern angelastet werden, für aktuelle und künftige Formate wird sie selbstverständlich. Die Wolfram-Technologie verspricht einiges, aber der Beschreibung nach scheint ausgeschlossen, dass dieses Verfahren außerhalb professioneller Labors bzw. Archive angewandt werden kann – allerdings, da hat es ja auch schon Überraschungen gegeben.