Der Langzeiterhalt unseres Weltwissens

Das Aufwerfen des bislang vollkommen ungelösten Problems, wie man unser stets immer mehr ins Digitale umgelegte Wissen einem Langzeiterhalt zuführen wird können, wurde bislang viel zu wenig in den öffentlichen Diskurs getragen. Um so erfreulicher, dass sich die TV-Dokumentation „Unser digitales Gedächtnis – Die Speichermedien der Zukunft“ auf ARTE-TV am 11.12.2015 (mit einer Wiederholung heute, 50 min Laufzeit, Regie: Vincent Amouroux) auf intelligente Weise und mit Biss sich diesem Thema gewidmet hat.

Dabei bleibt an dieser französischen Dokumentation bemerkenswert, dass für einen Zeithorizont von 5.000 Jahren an gefährdender radioaktiver Zerfallszeit säurefreies Papier mit lichtstabiler Acrylfarbe als „Speichermedium der Zukunft“ für einen Erhalt des kontextualen Inventar-Wissens angesehen wird. Es ist das, was ich vor einiger Zeit auch Paul Read mitteilte: Die Zukunft des Digitalen liegt im re-analogisierten Ausdruck auf Papier. Welch ein technischer Fortschritt für die Menschheit!

Drei weitere Speicherverfahren werden in der Doku als „Speichermedium der Zukunft“ vorgestellt:

Erstens: Daten-Magnetband in Kassette, was man angesichts der allgemeinen Abschaffung von Tonband und Videoband und dem damit verbundenen Niedergang der Produktionsstruktur dieses Speichermaterie-Materials kaum glauben möchte. Archivare und IT-ler beim CERN schwören auf die Verlässlichkeit dieses Speichermediums in ihren Bandrobotern. Im Gegensatz zum fortschreitende Zerfall auch industriell replizierter 12-cm-Datendisks durch Mikroverunreinigungen im Oxidationsprozess der Reflexions- und Informationsschicht.

Zweitens: Lasergravur in die Tiefe von Quarzglas, Sand also, Silikon, Silicea für den Homöopathen, im experimentellen Laborstatus Japans, codiert, auslesbar unter dem Mikroskop.

Drittens: DNA-Materie in den vier chemischen Säure-Bausteinen, damit 4-bitig codiert, unser Weltwissen als Zotabyte auf zwei Kubikmeter im Auto transportierbar, Laborstatus im Experiment.

Band, Quarz und DNA fragen als Speichermethode von selbst nach dem technischen Stand der „Infrastruktur drum rum“, der Auslese-, Sortier-, Selektions-Maschinerie, um mit Wissens-Dimensionen im Bereich von Terabyte bis Zotabyte (Zettabyte bis Yottabyte = Zotabyte, Slang) überhaupt einen Umgang ‚pflegen‘ zu können, also die technische Auslesbarkeit dieses Wissens zu einem zukünftigen Zeitpunkt gewährleisten zu können. Wie also sieht diese apparative Zukunft aus?  —  Dieser Aspekt ist in den schönen TV-Bildern zur Bebilderung dieses abstrakten Themas leider verschüttet geblieben.

Dafür wird im zweiten Teil dieser TV-Doku dann der kulturgeschichtliche Aspekt beleuchtet, dass einem Zotabyte nichts nützen werden, wenn man den vergangenen kulturellen Kontext nicht mehr lebendig kennt. Ohne die analogen Kultur-Algorhythmen (die sich eben nicht digitalisieren lassen) ertrinkt man in einem Meer an Daten, während es bislang generell umgekehrt gesehen wurde, dass man die Kulturprodukte vergangener Zeiten aus den Digitalisaten zu einem beliebig späteren Zeitpunkt rekonstruieren könne (je mehr Daten, desto besser und genauer), wie einen Dinosaurier aus versteinerter DNA.

Weit gefehlt.
No Way.

http://future.arte.tv/de/digitales-gedachtnis

http://www.dokumentarfilm.info/index.php?option=com_content&view=article&id=2249:tv-tipps-1112-grosse-sorgen-um-big-data&catid=39:tvdokus&Itemid=62

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