50 Jahre „2001: A Space Odyssey“: Seekrank im Weltraum? – Zur Versions- und Restaurierungsgeschichte eines verfallenden Werks

Gastbeitrag von Jean-Pierre Gutzeit

Ursprünglich war „2001“ wie „How The West Was Won“ als 3-Streifen-Cinerama-Produktion geplant wegen eines Kooperationsvertrages zwischen der Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer und der Theaterkette der Cinerama, Inc., die Roadshows auf stark gewölbten Panorama-Bildwänden zelebrierte. Dann votierte Regisseur Kubrick für einen Dreh auf 35mm-Kaschformat im Seitenverhältnis 1,85 : 1, bis ihn u.a. Robert Gaffney, ein Kameratechniker der MGM, zum Dreh auf 65mm-Farbnegativ überredete.
Gaffney: „I said, You’ve got to make it visceral. If you are going to put people in space there’s nothing bigger than 70mm wide screen to do that and Cinerama is even better because it would be curved, and he agreed“. Douglas Trumbull votierte ebenfalls für das Super Panavision 65mm-Format, da ihm die Verzerrungen einer 3-streifigen Cinerama-Produktion mißhagten.

Für die Entwicklung und perfekte Reproduktion aller aufgenommenen Ergebnisse war das Kopierwerk der produzierenden MGM-Studios in Culver City, California, die MGM Laboratories Inc., verantwortlich. Ein herausragend geschultes Person und exquisites Equipment ließ eine „bis auf’s i-Tüpfelchen“ perfekte Filmkopierung und Formatwandlung für alle Auswertungsstufen zu: in 70mm-Breitfilm oder für die breite Masse der konventionellen Kinos in 35mm-Normalfilm.

Für die Roadshows auf Panorama-Bildwände wurden praktisch „handverlesen“ mehr als 150 70mm-Kopien mit 6-Kanal-Magnetton weltweit ausgeliefert. Gleichwertig in allen Parametern: entsprechend scharf und sauber das Bild, perfekt die Lichtbestimmung, „rocksteady“ der Bildstand, immersiv der Raumklang. Nicht mehr und nicht weniger als der goldene Standard der Sechziger in der Produktion fast aller 70mm-Roadshows. Eine seither nie wieder erreichte Vollkommenheit in der Bild- und Tonwiedergabe dieses Films.

In den 35mm- und 70mm-Kinos auch der DDR lief der Film nicht, vermutlich aufgrund seines religiösen Überbaus. In Westdeutschland wurden ca. zwölf 70mm-Premieren-Kopien, u.a. an Grindel-Filmtheater Hamburg, Europa Palast Essen, Atrium Stuttgart, Royal Palast München, Schauburg Karlsruhe oder Royal Palast Berlin, ausgeliefert. Der Verfasser machte sich mit dem Film anläßlich einer Wiederaufführung im Berliner Royal Palast vertraut: der schließlich 2005 abgerissene Kinokoloß besass eine 30,8 Meter breite Bildwand (eingetragen im Guiness-Buch der Rekorde) bei einer Krümmung von 120 Grad. Wie erschaffen nur für diesen Film: der Saal verdunkelte sich zur Ouvertüre zunehmens, der aus unzähligen Falten bestehende Hauptvorhang benötigte 18 Sekunden, um die Löwenmarke des Films freizugeben. Projiziert wurde mit Oscar-prämierten Philips-DP70-Projektoren, der 6-Kanal-Magnetton kam von Oma-6-Transistor-Anlagen – ebenfalls von Philips – und Hornlautsprecher von Philips. (Zwar gelten Klangfilm-
Systeme der Zeit als hochwertiger, aber die herausragende Akustik der Kinostätte und eine vernünftig Wartung bis Ende der 1970er-Jahre genügten vollauf zur wirkungsmächtigen Wiedergabe einer 70mm-Produktion.)

In abgestufter Version wurden seit Anbeginn auch für Roadshow-Kinos ohne 70mm-Anlage einige 35mm-Kopien mit 4-Kanal-Magnetton bespurt (und für Revivals bis in die 80er-Jahre nachgezogen). Die konventionellen 35mm-Kopien für die Masse der mit Normalfilm spielenden Kinos weltweit besaßen einen Monolichtton, der in seiner Frequenzbegrenzung nicht zu überzeugen wußte. Bildlich war aber auch der Dup-Prozeß für die Verkleinerung des 65mm-Originals auf 35mm anfangs von vorzüglicher Qualität.

Revivals der dann über Jahrzehnte als Repertoire eingelagerten 70mm-Erstaufführungs-Kopien von 1968 wurden trotz zunehmenden Eastman Color-Fadings („Magenta-Farbstich“; sichtbar seit etwa 1981) nachwievor für überlebende Roadshowkinos seitens des MGM-Nachfolgers auf dem Verleihsektor, der Cinema International Corporation (CIC), oder der nachfolgenden United International Pictures (UIP) ausgeliehen. Aber auch für filmgeschichtlich interessierte Programmkinos oder Multiplexe vorbehaltlos ausgeliefert, die seit Ende der 1980er- resp. Anfang der 90er-Jahre sich eine 70mm-Projektion zulegten, allerdings die kostbaren Archivkopien durch singuläre Einsätze und ungeübtes Personal verschlissen. Die Patina war bereits unübersehbar: die Schärfenbrillanz der Direktkopierung vom Kamera-Negativ bleibt aber bis heute unübersehbar.

Die Wiederaufführungs-Kopien in 35mm seit den 1970er-Jahren ließen erstmalig die gewohnte Bildbrillanz vermissen. Aber mithin wurden seit den 1990er-Jahren auf 35mm neben der analogen Mono-Lichttonspur nun drei digitale Stereo-Lichttonspuren auf den jetzt von Warner Brothers beauftragten Neukopierungen aufgebracht (für DTS, SDDS und SRD). Die weiterhin beauftragten MGM Laboratories zeitigten in der Bildgüte zunehmend minderwertige Ergebnisse.

Im magischen Jahr 2001 konnte es sich Berlinale-Festivalleiter de Hadeln nicht entgehen lassen, seinen erklärten Lieblingsfilm als Abschlußfilm eines letzten Amtsjahres zu positionieren. Angekündigt war laut Berlinale-Katalog eine „digital restaurierte […] längere“ Fassung. Zu sehen war die alte, im Auftrag Ted Turners (MGM/UA) 1989 umkopierte Version, zwar nochmals als 70mm-Kopie, allerdings bereits von einem Dupnegativ angefertigt. (Im Klartext: Es gab um 2001 noch keine digital restaurierte, geschweige denn längere Fassung als die alte.)

Das Resultat dieses 70mm-Rivivals fällt zu den gleichformatigen Erstaufführungskopien von 1968 körniger und kontrastreicher aus – als ‚grell-aufgestylt und dennoch flach‘ zu umschreiben – und der optisch-akustische Qualitätsvorsprung zur anschließend herausgebrachten, neu kopierten 35-mm-Version ist nur bedingt zu verteidigen. Die vollständig verwackelte Bildwiedergabe im Berlinale-Palast dann war die warscheinlich instabilste seit Aufkommen des 70mm-Kinos schlechthin: sichtbar erzitternd nicht nur bei ruhigen Weltraum-Spaziergängen. (Vermutung: Probleme kinetischer Reibungsverhältnisse in der Filmbahn des Kinoton-FP-75 E-Projektors, der anstelle eines Malterkreuzes einen hier unzureichend gewarteten Schrittmotor verwendet.)

Mehrmals gleich wurde 2000/2001 das Originalnegativ auf offenbar nicht korrekt justierten Durchlaufprintern umkopiert: einmal vom Originalnegativ zum Interpositiv, dann vom Interpositiv zum Dupnegativ, schließlich vom Dupnegativ zur Verleihkopie. Der Bildstand ist – durchgehend – für Todd-AO-Verhältnisse als unperfekt zu bezeichnen. Auffällig war mitunter auch ein sporadisches Ruckeln im Originalnegativ bei Szenenübergängen, was auf evt. unsachgemäßes Laschenkleben bei späterer Überprüfung des Originanegativs hindeuten könnte (Für den Kopien-Erforscher relevant: Kontinuierlich sich fortsetzende Kodak-Randnummern, die im Abstand von 16 Feldern einkopiert sind, beweisen die Erstellung einer solchen Dup-Fassung, erkennbar auch beim Szenenwechsel auf der rechten, schichtlagigen Seite. Denn betrachtet man über die Schnittstelle die linksstehenden Bildfelder, so gelangte man im Falle einer Direktkopierung vom Originalnegativ schon nach dem 10. Bildfeld auf die nächste Randnummeriering.)

Der Bildeindruck der neuen Version von „2001“ seit 2001 ist rußig in den Schatten, und die Vermutung liegt nahe, daß 2000/2001 ein evt älteres Interpositiv verwendet wurde, was am Kippen der Grautöne in den Grün-Blau-Stich-Bereich ablesbar ist (besonders auffällig in den Schatten der weissen Raumkapseln, und deshalb fallen bereits in der ersten Weltraumsequenz am Anfang die Kontraste durcheinander, es zeigt sich eine Nichtkorrigierbarkeit der Farbneutralität der Erdkugel zu den vorbefliegenden Raumschiffen hinsichtlich Kontrastumfang und Farbstich sowie in der Farbbalance, die gerade immer dann zum Problem gerät, wenn von einem älteren Interpositiv auf ein neues Intermediate-Material kopiert wird. Ursächlich sind hierfür heranzuführen: Divergenzen der Farbstoffe älterer Negative und Intermediates zu den Farbstoffen von Printmaterialien der 1980er-/1990er-Jahre. Folglich ergeben sich auffallend in den Grauflächen Abweichungen, die durch Wiederverwendung mangelhafter Print-Zwischenprodukte auch nicht mehr auf analogem Wege korrigierbar wären. Auf neuerem Intermediate-Stock seit 1992 wäre dieser Fehler sicherlich geringer gewesen, aber 2000/2001 wurden anscheinend Kosten gescheut.

In der „Star Gate“-Sequenz waren überdies pumpende Bildbereiche und schwankende Schärfen sichtbar – ein weiteres Anzeichen für fehlerhaft umkopierte Orginalmaterialien (zumal die Special Effects bereits 1967/68 als optische Arbeiten über Intermediates erstellt wurden, die materialbedingt bei Umkopierungen anno 1989/2000 unterschiedlich zu den auf Originalnegativ basierenden Szenen schrumpfen können). Mehrere Takes in der Schluss-Szene während des Alterns des Astronauten Bowman beinhalteten offenbar seit Längerem ausgeflickte Klammerteile, was auf schadhafte Partien im Originalnegativ, die infolge mechanischer Beschädigung herausgenommen worden und durch Dups ersetzt waren, schließen läßt.

Sollte 2000/2001 evtl. auch ein gewisses Fading des Orignalnegativs oder Interpositivs im bearbeitenden Kopierwerk konstatierbar gewesen sein, etwa bei Szenen, die im Studio um 1967 bereits zu dünn belichtet worden waren (etwa die gesamte Afrika-Sequenz), so hätte man sie dennoch ohne weiteres dunkler kopieren können, um an Dichte zurückzugewinnen.

Insgesamt war die neue 70mm-Kopie, seit 2001 bis 2017 im Umlauf, zu hell, zu flach und zu steil im Kontrast und verlor somit deutlich an Schärfe und Dichte: vom „70mm-Charakter“ der Erstaufführungskopien war nur wenig noch bemerkbar.

Die Enttäuschung auf der Berlinale ann0 2001 wurde begleitet von einem unausgewogen ausgesteuertem, nach Mittelwellenfunk klingenden Dolby SR-Magnetton, welcher durch die Festspieltechnik-Inspektion und eine weltbekannte Kinotechnik-Firma anscheinend überstürzt angeschlossen und eingemessen worden war. Dieser Event, präsentiert nicht zuletzt aufgrund einer im Berlinale Palast vergleichsweise zu den Roadshow-Kinos zu kleinen und flachen Leinwand, war signifikant getrübt: ein Sitznachbar des Verfassers, der DEFA-Autor Kohlhaase, schlief auf dem weit zurückliegenden Rang unverzüglich ein. Nach der Berlinale holte sich das National Museum of Film and Photographie (NMPFT) in Bradford diesselbe Kopie für sein jährliches Widescreen-Festival: dort wurde sie mit deutlich besserem Bildstand und dynamischerem Ton dargeboten.

In einer viel zu hellen Projektion einer ohnedies zu hellen Kopie vier Jahre darauf – 2005 im Berliner Delphi-Palast –, flimmerten viele Szenen bereits. Die im Februar 2001 im Stella-Theater gezeigte Dup-Version wirkte nochmals deutlich schlechter: die Farbflächen der Affenfelle fielen durch zu helle Projektion noch mehr durcheinander. Diese offensichtlich kaum korrigierte Nullkopie hatte einen olivgrünen Farbcharakter wie „Lawrence of Arabia“ (restored version 1989). Aber auch für die um 2005 und 2009 in Frankfurt/Main und Berlin gezeigte, neuere 70mm-Kopie gilt: die Hauttöne wurden in dieser Revival-Version stets zu rostbraun repliziert, sie wirken verzuckert. Allerdings läßt sich für den Delphi-Palast in Berlin behaupten, daß es sich um die immerhin noch beste Tonwiedergabe seit der Premiere handelte (bedingt durch den Einbau eines modernen Panastereo-Magnetton-Verstärkers mit geringsten linearen Verzerrungen). Trotz des Dynamik-Zuwaches klang aber der Baß zu dominant (denn die Schallplattenaufnahmen wie die ersten Magnetton-Kopien der Premiere ertönten deutlich anders), der Streicherklang war praktisch angerauht, es war kein Diskant im Beckentonschlag hörbar, obwohl Richard Strauss einen obertonreichen Klang in seinen Kompositionen bevorzugte. Der Orgelabschlußton wird übrigens auch in der neuen Soundtrackversion, die um 2000/2001 tatsächlich digital remixed wurde, nahezu unterschlagen. Der Original-Mix war schon 1968 über mehrere Ton-Dupstufen gelaufen, beim Remix 2000/2001 wurde er noch weiter manipuliert, auch wenn sich das Resultat attraktiv anhört. Die Johann Strauss-Walzer klingen seither anders als 1968, nachdem das Grundrauschen der zugrund liegenden Grammophon-Tapes anscheinend weggefiltert wurde. Der Pfeiffton vor der „Aktivierung des Monolithen“ erklang sogar unverhältnismäßig laut. Oben und unten war das Bild des Delphi-Palast-Kinos relativ stark auf dem Samt abgekascht (mind. 40 cm). Das Todd-AO-Seitenverhältnis von etwa 2,2 : 1 stimmte im Delphi zwar bezogen auf die Kaschstellung, allerdings war nicht erkennbar, dass dort ein neues Objektiv im Einsatz ist (es sah für uns nach einer Type von Ende der 1980er-Jahre aus).

Zur Berlinale 2005 wurde nochmals jene 70mm-Neuversion in der Berliner Urania gezeigt. Dabei wurde neuerlich der Ton falsch eingemessen, da nach aktweisem Überblendungsbetrieb beständig extreme Lautstärke- und Dynamik-Schwankungen vernehmbar waren.

Die ab Ende Februar 2001 auf 35mm gestarteten Revivalkopien ließen auf andere Weise akustische wie optische Brillanz missen: sie waren relativ grobkörnig – was kaum auf eine Umkopierung von neuesten Zwischenmaterialien, konsequent ausgehend vom Originalnegativ, schließen läßt, sondern auf ein Zurückgehen auf wie erwähnt ältere 35-
mm-Interpositive des seinerzeitigen Kaltprozesses hindeutet. Weiterhin zeitigte die Kopierung auf neuerem Kodak-Vision-Printmaterial seltsame Blüten: sozusagen „ausblutende Säume“ um die Ränder der Planeten hatten – in der Art dieses Effekts – gewisse Ähnlichkeit mit einer Kopierung über Internegativ, sowie man ein solches von einer älteren Kinokopie zieht. Klanglich enttäuschten auf 35mm sowohl die Analog-
wie auch die drei Digitalton-Spuren. Selbst bei SDDS-Wiedergabe klang der Frequenzumfang des einstigen Magnettons dumpf und leblos: der tiefe Streicherbaß der Zarathustra-Fanfare grollte verzerrt-hintergrundlastig, die Höhenpegel schienen wie abgeschnitten, auf ein eher steriles Summen herabgedrückt, (exemplarisch beim hohen Pfeifton während des durch Sonneinfall „aktivierten“ Monolithen zu beklagen, denn Besucher mussten sich erstmals die Ohren zuhalten), die Donauwalzer resonierten auffallend hölzern daher und die einstige Direktionalität der deutschen Sprachmischung wurde aufgegeben (was auch anhand der auf identische digitale Zwischenträger zurückgreifendem DVD-Version der Warner von 2001 festzustellen ist).

Solche Symptome nähren erneut Zweifel an der Bearbeitungsweise oder der Technologie einer Umspielung und Umkopierung an sich (d.h. an einer fragwürdigen Umkopierung über im Gamma zu flache, neuere Printmaterialien). In jedem Fall aber nährt es Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Transfers älterer Magnetton-Master auf digitale Medien via Datenreduktion, so wie die Resultate der bislang gesichteten Film-Revivals jedesmal mit drastischen Verschiebungen des Spektrums einhergingen, obwohl der konventionelle Weg über den alten, analogen Magnetton auch für Neukopierungen noch bis etwa 2002 offenstand, sich aber auf den 70mm-Theaterkopien schließlich der Timecode-basierte DTS-Digitalton zu behaupten begann.

Auch im Heimkinosektor variierten die Güten des Films. Die erste DVD-Version Mitte der 1990er-Jahre im NTSC-Letterbox-Format zeigt in der Schlußszene (Alterungsdurchläufe des Astronauten Bowman) bereits verschiedene Duplikat-Inserts als Folge von Reparaturen schadhafter Stellen am Originalnegativ, die wie erwähnt seit den gedupten 70mm-Wiederaufführungskopien des Films seit Ende der 1980er-Jahre auszumachen sind. Die Sauberkeit dieser DVD ist, bedingt durch die Abtastung von einem älteren Interpositiv, als nicht mehr taufrisch einzustufen. Die Farben stehen dem filmischen Premieren-Original jedoch erstaunlich nahe und sollten im Zweifelsfall als ungefähre Orientierung für künftige Revivals dienen!

Die zweite DVD-Version anno 2001 im gepreßten 16 : 9-Transfer („Kubrick-Collection“) und auch die spätere Blu ray Disc bemühten sich im Grunde um eine bildtechnisch geeignetere Herangehensweise durch Verwendung eines neu hergestellten 65-mm-Interpositivs. Leider ist darin die Lichtbestimmung unausgegoren: mal sind die Affenfelle braun, dann grau, dann gräulich, analog zur zeitgleich erschienenen neuen 70-mm-Version. Überdies ist auch ein Ausleuchtungsfehler (bläuliche Randeinfärbungen) konstatierbar, der offenbar auf eine unzureichende Justage der Kopierlampe für die 65-mm-Abtastung zurückzuführen ist. Diese angebliche „De Luxe“-Version auf DVD anno 2001 und die spätere Blu ray-Discs weisen somit die falschen Farben auf und bleiben von der Lichtbestimmung her höchst unausgeglichen.

Zu den Feiern zur Weltpremiere vor 50 Jahren (sie war am 2. April 1968): das Deutsche Filmmuseum Frankfurt am Main eröffnete bereits am 21. März eine Ausstellung zur Produktion des Werks, ergänzt von Künstlern und Ausstellern, die sich davon inspiriert fühlten: http://2001.deutsches-filmmuseum.de Auch etliche Kinos werden ab Ende Mai an den Feiern teilnehmen.

Im weiteren aktiv die Filmfestspiele in Cannes in diesem Jahr, auf denen Kurator Christopher Nolan den Mut aufbringt, eine rein analoge 70-mm-Neukopierung vorzustellen:
http://www.festival-cannes.com/en/infos-communiques/communique/articles/cannes-classics-to-celebrate-the-50th-anniversary-of-2001-a-space-odyssey

Im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main dürfte jedoch die umfassendste kulturhistorische Darstellung abgehen, mit den Originalrequisiten die exklusivste Schau weltweit. Holprig wirkt indes das Pflicht-Interview mit dem stellvertretenden Direktor, der sich an die Erstsichtung des Films nicht mehr erinnern kann:
http://m.dw.com/de/50-jahre-stanley-kubricks-2001-odyssee-im-weltraum/a-43056301 Fundierter könnte es zugehen bei den Vorträgen am 22. Juli um 17 Uhr, ergänzt von der Vorführung des Films in deutscher (!) Fassung:
http://2001.deutsches-filmmuseum.de/veranstaltungen/

Zu wünschen wäre wieder eine kontroverse und unerschrockene Behandlung des Films, nicht allein dessen Hymnisierung.

Was man bei diesen Veranstaltungs-Ankündigungen schmerzhaft vermisst, ist die Befassung mit der Materialkunde und Überlieferung. Auch die Würdigung der Verdienste eines Studios in der Bereitsstellung des Know-Hows und der Finanzierung dieses Films nach Vorbild seiner anderen Mammutproduktionen „Ben Hur“, „König der Könige“,“Doktor Schiwago“ „Grand Prix“ oder „Eisstation Zebra“, in dessen Linie der Film ebenfalls zu sehen ist wie in seinem religiösen Gestus in Artverwandschaft zur D-150-Produktion „La Biblia – The Bible“ und zum ersten CinemaScope-Film „The Robe“, ist in Akademiker-Kreisen verpönt. Die Materialkunde jedenfalls bleibt auf der Strecke. Selbst wenn archäologisch die originalen Requisiten ein Massenpublikum faszinieren und eine Entstehungsgeschichte imaginieren, so sind für die Zusammenführung zum Gesamtkunstwerk (auch im Sinne von „medien-prägend“) eher das originale Kameranegativ und seine Derivate der Maßstab für die kulturelle Verbreitung des Films gewesen. Unbedingt sollte eine Versions- und Rezeptionsgeschichte des Films (und ein kopierwerktechnischer Einblick, wie und in welcher Charakteristik der Film die Bildschirme erreicht) ein elementarer Bestandteil der Bildungsarbeit sein.

Da neben der Schiene des Digitalvertriebs – auf dem High-end-Sektor die UHD-Version und für den Kinosektor die artverwandten DCPs – ab Mai auch die deutlich rareren 70mm-Kopien als Erzeugnis der Fan-Leidenschaft Christopher Nolans herumgereicht werden (an denen in Deutschland unter anderem die Flebbe-Kinos, Schauburg Karlsruhe und Deutsches Filmmuseum am Frankfurt am Main interessiert sind), wird man sich in einer stillschweigenden Allianz darüber einig sein, die Ursprünge des Filmbandoriginals nicht zu problematisieren, um in der Selbstvermarktung am Mythos des 70-Millimeter-Films festzuhalten und auf künftig weitere Abspielware zu warten, mit der die Abspiel- und Reproduktions-Infrastruktur aufrechterhalten werden kann.

Was aber ist von Christopher Nolan und dem Kopierwerk Fotokem in Burbank überhaupt zu erwarten? Eine direkte Kopierung vom Originalnegativ, gerade wenn es noch neuwertig ist (und weil zuletzt immer wieder „The Master“ als rares Beispiel einer gelungenen, neuzeitlichen 70-mm-Kopierung angeführt wird) stellt zum Glück nicht denselben Schwierigkeitsgrad dar wie eine Duplikat-Herstellung, wie sie bei „2001“ für eine Serienanfertigung in höherer Auflage unumgänglich erscheint. Und 2018 beherrscht m.W. kein Kopierwerk mehr den Dup-Prozess zufriedenstellend unter Ausnutzung der eigentlich vorzüglichen Potentiale verbesserter Intermed-Materialien seit 1992, die technisch betrachtet eine nahezu verlustlose Umkopierung ermöglichen. Das Dup-
Verfahren, zur Reife gebracht, gehörte schon in den 1950er- und 1960er-Jahren zu den Betriebsgeheimnissen der Kopierwerke. Gerade das Filmkopierwerk Fotokem nun hat in der Fertigung der 65-mm-Duplikatnegative für die jüngeren Filme „The Hateful 8“, „Dunkirk“, „Murder on the Orient Express“ oder „Interstellar“ erschreckend schlechte Resultate abgeliefert — und kopiert nunmehr auch „2001“.

Schon der Restaurateur Robert E. Harris war mit seinen Restaurierungen von „Lawrence of Arabia“, My Fair Lady“, „Spartacus“ oder „Vertigo“ kritisierbar, aber der Gesamtprozess vollzog sich noch im branchenüblichen Rahmen. (Bedauerlich ist, dass Harris das schon 1987 geschrumpfte Originalnegativ von „Lawrence of Arabia“ im Kontakt-Kopierverfahren auf der Bell & Howell Model C-Maschine umkopierte, weshalb die Bildstandsschwankungen dieser Restaurierung bis 2013, als der Film digitalisiert wurde, aber auch die seitlichen Ausleuchtungsfehler, analog nicht mehr korrigiert wurden. In der Lichtbestimmung unterliefen ihm ebenfalls Patzer, wobei die integralste Version noch „Spartacus“ in der ersten Charge der Restaurierungs-Kopien von 1991 darstellt [spätere Nachkopierungen gerieten zum Desaster, mit aufgehellten und magenta-stichigen Schatten und verkreuzter Farbbalance, so auch bei „Lawrence of Arabia“]).

Harris nun, 2018 offenbar resigniert, bezeichnet Nolans Unterfangen einer photochemischen Neukopierung als „idiotisch … nur für die Kino-Nerds“ und weist darauf hin, daß der Anspruch, den Film auf diese Weise so zu repräsentieren, wie er 1968 erlebt wurde, nicht einzuhalten ist. Dem ist sowohl zuzustimmen als auch zu widersprechen: Schärfe und Farbcharakter lassen sich auch im Dup hinüberretten, sofern denn ein ausgewiesener Fachmann des Kopierwerks bei Fotokem beschäftigt wäre. Bei den oben genannten vier modernen Titeln der letzten Jahre, die ebenfalls über Duplikatnegativ gezogen sind, ist zur Gänze kein brauchbares Duplikatmaterial entstanden: schwankender Ausgleich von Szene zu Szene und eine ungewohnte Unschärfe kennzeichneten alle vier Titel. Das läßt aufgrund von Unfähigkeit Schlimmes erahnen für die aktuelle Dup-Herstellung bei „2001“. Auch, wenn man den Weg über die optische Greiferkopierung hier beschritte, können selbst geringste Verwölbungen zu einem unscharfen Duplikatnegativ führen.

In den 70-mm-Dupkopien von „2001“ der letzten 20 Jahre fielen, es ist zu wiederholt anzuführen als schwerwiegende Beeinträchtigung, die Rußigkeit in den Schatten und das Kippen der Grautöne in den Grün-Blau-Bereich auf, ebenso fielen die schadhaften Stellen in der letzten Rolle des Originalnegativs auf, welche somit vor vielen Jahren durch Klammerteile ersetzt wurden (Astronaut Bowman beschreitet in mehreren Jump cuts, um über 20 Jahre gealtert, das klassizistische Hotelzimmer). Dies sollte korrigiert werden.

Diese Mängel sind folglich auch im gegenwärtigen 65-mm-Interpositiv und im Duplikatnegativ, summa summarum in allen Kopien seit 2001, enthalten. Ich frage nun, ob es ein zweites, das heißt noch älteres 65-mm-Interpositiv gibt, in der die besagten Astronauten-Szenen noch nicht gedubelt wurden, zumal auf einigen Home-Cinema-Medien diese „Hotelszene“ intakt ist? Neue Teile oder „Elemente aus dem Originalnegativ“ müssten dann eher aus einem älteren 65-mm-Interpositiv gewonnen werden, zumindest was die oben beschriebene Sequenz angeht.

Jan Harlan versprach schon auf Symposien um 2005 auf Anfrage, sich bei Warner Brothers für neue und bessere Filmkopien einzusetzen. Schwärmte dann allerdings für den Vertrieb der Filme Kubricks auf DVD (seinerzeit in anfechtbarer Qualität erschienen), da die verschiedensten Sprachfassungen das Gesamtwerk des Regisseurs nun weltweit leichter verfügbar machten. Christiane Kubrick äußerte sich hinwiederum 2018 (in Erwartung der Gala-Vorstellung in Cannes) wie folgt: “I’m delighted that ‘2001: A Space Odyssey’ will be reissued in 70mm, and that Cannes has chosen to honour it. If Stanley were alive today, we know he would be in admiration of the films of Christopher Nolan. And so, on behalf of Stanley’s family, I would personally like to thank Christopher for supporting his film.” (Warner Bros., Pressemitteilung vom 28.3.18)

Resumee: Wer sich für die Materiallage des Films interessiert, der sollte unbedingt die verschiedensten Versionen miteinander vergleichen. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit existieren auch noch ein oder zwei farblich unverblasste 70-mm-Direktkopien vom Kameraoriginalnegativ. Ob Warner Brothers, der heutige Rechteinhaber, aber mit Start des Revivals zum 50. Jubiläum noch alternative Fassungen zulässt, steht in den Sternen. Wer die schnelle Konsumption scheinbarer Makellosigkeit ersehnt, kann ab 2018 auch auf die neue Blu ray Disc oder UHD warten: die dennoch keine der 70mm-Premierenfassung gleichwertige Bildgüte wiederzugeben imstande sind, eben so wie vergleichbare DCPs für den mittlerweile digitalisierten Kinobetrieb.

Jean-Pierre Gutzeit, 2.4.2018

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