IAMMMMW — eine epische, temporeiche und überbreite Kino-Farce als Parabel auf die Amerikanische Gier

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Foto © Criterion Collection

Der US-amerikanische Filmkunst-Verlag „Criterion Collection“ veröffentlicht dieser Tage eine Neuedition des Werks „It’s a Mad, Mad, Mad, Mad World“ (deutscher Verleihtitel: „Eine total, total verrückte Welt“) in der Regie von Stanley Kramer aus dem Jahre 1963 im BluRay- und DVD-Format.

Neben Leans „Lawrence von Arabien“ und Premingers „Exodus“ stellt IAMMMMW das dritte zentrale Schlüsselwerk für das US-Amerikanische Road-Show-Kino der ersten Hälfte der 1960er-Jahre dar. Nach Kramers Erfolg von „Urteil von Nürnberg“ im Jahr 1961 – der in der Rolle des Nazi-Strafverteidigers Rolfe damit international berühmt gewordene Maximilian Schell verstarb gestern – sowie dem Rassen-Nazi-Drama „Die Sprache der Gewalt“ aus dem Jahr 1962 wollte Kramer bei IAMMMMW nun „something a little less serious“ machen.

Dabei herausgekommen ist eine (im Bildseitenverhältnis von Ultra Panavision, 1 : 2,76) überbreite, überlange, überkomische, überaus temporeiche, über-‚uber‘ Kino-Farce als Parabel auf die Amerikanische Gier nach Geld und Besitz; eine brüllkomisches, schenkelklopfendes Slapstick-Kinospiel mit pfeffernden Dialogen, dabei ein ‚Parcours‘ der alten Komikerstars (Tracy, Berle, Rooney, Caesar, Terry-Thomas, Keaton etc.), gedacht noch nicht für ein Zielgruppenpublikum – sondern für einen Kinoort ‚der ganze Familie‘, als man sich mit einem Präsidenten Kennedy und der überwundenen Kuba-Krise solche Selbstbespiegelungs-Extravaganzas im globalen Wirtschaftsboom gesellschaftlich leicht leisten konnte, bevor die junge Baby-Boomer-Generation ein paar Jahre später das Thema vorübergehend zum Kulturkampf machte. Das Besondere bei IAMMMMW ist nun, dass hier epische Darstellungskonzepte in Bildbreite und Filmlänge mit Slapstick-Tempo miteinander auf eine Weise verzahnt und synthetisiert sind, wie es danach nie wieder erreicht wurde.

Diese Criterion-Edition erscheint in einer historisch-kritischen Doppelausgabe, auf der Basis eines 4K-Scans der allgemeinen (auf 163 Minuten gekürzten) General-Release-Fassung sowie einer neuen auf 197 Minuten vom Restaurator Robert A. Harris erweiterten Rekonstruktionsfassung der originalen Road-Show-Kinofassung in HD. Man darf also gespannt sein, wie sich die neue Harris-Schnittfassung von der 188-Minuten-Version der Laser-Disc-Ausgabe von 1991 unterscheidet, die bislang als Maß der Dinge bei IAMMMMW galt. Sie, diese Laser-Disc-Box, bleibt in meinem Archiv weiterhin auf ihrem Ehrenplatz, zumal die Making-of-Dokumentation „Something A Little Less Serious“ mit zeitgenössischen Interviews der Beteiligten aus dem Jahre 1991 nicht auf der aktuellen Criterion-Edition erneut veröffentlicht wurde.

Während „IAMMMMW“ und „Lawrence“ nunmehr in würdigen Digitalfassungen vorliegen, wartet „Exodus“ immer noch auf seine restauratorische ‚Erlösung‘, zumal „Exodus“ die epische Verlangsamung auf die Spitze getrieben hat und damit dramaturgisch wie politisch der Gegenpol zu IAMMMMW bleibt. Schade ist, dass im Falle IAMMMW zunächst keine Reanalogisierung (anamorphotische oder sphärische Rückbelichtung auf  70-mm-Film) vorgesehen ist.

Criterion Collection hat diese Neuausgabe von IAMMMMW auf ihrer Website ausführlich dargestellt:

http://www.criterion.com/current/posts/3030-it-s-a-mad-mad-mad-mad-world-nothing-succeeds-like-excess

http://www.criterion.com/current/posts/3044-my-mad-mad-mad-mad-world

http://www.criterion.com/films/28579-it-s-a-mad-mad-mad-mad-world

http://www.criterion.com/current/posts/3034-mad-world-locations-then-and-now

http://www.criterion.com/current/posts/3027-three-reasons-it-s-a-mad-mad-mad-mad-world

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